Nach der Wahl, vor dem Kahlschlag

Kaum hat sich der Pulverdampf des Wahlkampfes gelichtet, und noch während sich die Parteien in Nordrhein-Westfalen nach dem amtlichen Endergebnis ihre Wunden lecken, beginnt die Bundesregierung nun zu “regieren”.

Gemäß nach dem Motto “jetzt haben wir nichts mehr zu verlieren”, beweist die schwarz-gelbe Wunschkoalition nun ihre neoliberale Agenda und treibt den Ausverkauf der Politik wie erwartet weiter voran.

In Hessen hat nun der rechtskonservative Roland Koch nur einen Tag nach der NRW-Wahl und dem Debakel für die CDU – parallel zum Zeitpunkt, zu dem nun dort über ein neues Bildungs- und Schulsystem diskutiert wird – die Katze aus dem Sack gelassen. Unter anderem will Koch ausgerechnet in der Familien- und Bildungspolitik massiv Ausgaben kürzen. Er stellte dabei die Finanzierbarkeit des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz bis 2013 und die geplanten Mehrausgaben für Bildung in Frage. Die Landesregierung will im kommenden Jahr 30 Millionen Euro bei den Hochschulen und 45 Millionen Euro bei den Schulen sparen. Auch im Kulturbereich wird bereits eingespart.
Es ist ein Offenbarungseid der Perspektivlosigkeit, der aber bereits absehbar war –  eine Verschärfung der Austrocknung von Kommunen und Gemeinden, sprich der sozialen Infrastruktur. Es folgt der neoliberalen Logik des tabulosen Sparens, einer fragwürdigen “Haushaltssanierung” auf Kosten der Zukunft des Landes. Dabei liegt Hessen bei den Bildungsausgaben im Ländervergleich ohnehin schon auf einem traurigen vorletzten Platz (siehe Abbildung unten).

Doch Kochs Ankündigung ist nur das Vorgeplänkel für das, was uns in den nächsten Wochen und Monaten auf Bundesebene erwarten wird. Die Bundesregierung hat sich mit ihren unpopulären Projekten bewusst bis zur NRW-Wahl zurückgehalten – nun ist der Weg für Kürzungen aller Art (doch besonders im Sozialen) frei.
Was von den neoklassischen Ökonomen im Dienste von Schwarz-Gelb dabei einfach nicht wahrgenommen wird, ist die Tatsache, dass ein Staat durch rigides Sparen keineswegs saniert werden muss, sondern vielmehr in eine Rezession oder gar Depression rutschen kann. Gleichzeitig verkümmert die öffentliche Infrastruktur, das öffentliche Leben – und damit verstümmelt der Staat sich und seine Institutionen selbst.

Letztendlich treibt Koch auf Landesebene die Schröpfung des öffentlichen Eigentums (und dazu gehört Bildung und Kultur) zu Gunsten der Privatwirtschaft konsequent vorran. Während die Länder, Kommunen und Gemeinden ihren Aufgaben längst nicht mehr nachkommen können, wurden und werden Konzerne und Finanzakteure seit Jahren mit Staatsgeldern priviligiert und subventioniert (Passend dazu das FDP-Motto “Privat vor Staat”).
Schon seit Jahrzehnten gibt es dagegen die Forderung einer Finanztransaktions- und Börsenumsatzsteuer. Allein ihre Verwirklichung würde dem Staat – ohne volkswirtschaftlichen Schaden – bereits Einnahmen in Milliardenhöhe in die öffentlichen Kassen spülen. Bereits diese Tatsache relativiert das Instant-Argument der fehlenden Finanzierbarkeit bestimmter öffentlicher Leistungen.
Seit der Finanzkrise ist diese Forderung wieder besonders aktuell. Doch in den letzten Jahren ist nichts in diese Richtung unternommen worden. Stattdessen wird weiter auf Kosten der Bürger gekürzt – es ist ein Skandal, der in den Massenmedien immer noch nicht genug thematisiert wird.

Wenn die SPD in Nordrhein-Westfalen wirklich den im Wahlkampf versprochenen Politikwechsel will – und nicht ihre Glaubwürdigkeit vollends verspielen möchte – sollte sie sich zweimal überlegen, ob sie sich auf eine große Koalition mit der CDU einlässt. Doch besonders dort ist der Geist der einstmaligen Totengräber der Sozialdemokratie – Clement und Müntefering – noch zu spüren. Der rechte Wirtschaftsflügel der SPD ist sehr einflussreich, und wird ein rot-rot-grünes Bündnis zu verhindern suchen.
Doch NRW ist ein Laboratorium für die Bundespolitik. Dort könnte angedeutet werden, wie eine linke Alternative zur Privatisierungs- und Kahlschlagspolitik der letzten Dekaden aussehen soll.

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