„Outsourcing“ des Journalismus

Von Sebastian Müller

Es gibt unter den Politikern in diesem Lande bekanntlich eine Gesundheitsministerin und einen Wirtschaftsminister. Die Gesudheitsministerin heißt Ulla Schmidt, der Name des Wirtschaftsministers ist Karl Theodor zu Guttenberg. Ulla Schmidt ist Mitglied der SPD, Karl Theodor zu Guttenberg ist dagegen der CSU zugehörig. Beide, die Ministerin und der Minister, sind in der jüngsten Zeit eher unbeabsichtigt in die Schlagzeilen gekommen. Die Eine dabei mehr, der Andere weniger.

Ulla Schmidt hat ihre plötzliche Medienpräsenz der Dienstwagenaffäre zu verdanken. Die liegt zwar schon ein Weile zurück, wird aber immer wieder von den Journalisten aufgekocht. Der Vorfall wird penibel in alle Einzelteile zerlegt, und die Gesundheitsministerin gerät von einem Kreuzverhör in das andere. Man könnte meinen, es handele sich hier um eine Staatsaffäre von größter Bedeutung.

Angesichts der jüngsten Verwerfungen des anderen Ministers, sollte die Dienstwagenaffäre aber bestenfalls als ein Kavaliersdelikt zu betrachten sein, das nur am Rande zu interessieren hat. Doch genau das Gegenteil ist der Fall. Dabei wird die Tatsache, das Guttenberg – neben der Leugnung von industriepolitischen Plänen seiner Fraktion – im scheinbar großen Maße das “Outsourcing” von Gesetzesentwürfen betreibt, zwar erwähnt und auch kritisch kommentiert. Insgesamt aber wird sich dem Sachverhalt mit derart spitzen Fingern genähert, dass der Verdacht aufkommt, Guttenberg genieße einen bestimmten Immunitätsstatus. Zumindest befremdet die zurückhaltende Berichterstattung doch sehr, wenn man die Relationen zu Schmittschen Dienstwagenaffäre zieht.

Man könnte fast zu der Vermutung genötigt werden, dass diese Immunität des “Herrn von und zu Guttenberg” an seinem Adelstitel liegt, was immerhin ein Trumpf bei vielen Politikverdrossenen und Demokratiegeschädigten der Rebublik zu sein scheint. Oder aber an seinem dandyhaften Charme eines perfekten Schwiegersohnes, der eine nicht zu unterschätzende Wirkung bei spießbürgerlichen Rosamunde Pilcher-Konsumenten haben dürfte. Von seiner geschliffenen Kultiviertheit berichten demnach alle Boulevardblätter begeistert.

Doch wovor fürchtet sich der fast in der Versenkung verschwundene investigative Journalismus? Doch nicht etwa davor, dass er mit kritischer Berichterstattung die guttenbergsche, heile Welt zerstören könnte? Dem bleibt beruhigend entgegenzuhalten, dass Herrn zu Guttenberg nur die Trennung von seiner Frau etwas anhaben könnte, nicht aber das Offenlegen von mangelnder wirtschaftspolitischer Kompetenz oder demokratieschädigenden Praktiken.

Dass Herr zu Guttenberg den deutschen Gesetzgebungsprozess mit der Beauftragung privater Anwaktskanzleien wie Linklaters ad absurdum führt und damit einen schleichende Trend des Outsourcings hoheitlicher Expertise bestätigt, dürfte in der öffentlichen Wahrnehmung nur noch zweitrangig sein. Diesbezüglich scheint der Mißbrauch eines Dienstwagens für private Zwecke schwerer zu wiegen, und auch so interessant zu sein, dass es sich hierfür lohnt, eine breite Medinkampagne loszutreten, die die Gesundheitsministerin auf ganzer Linie desavouieren soll. Herr zu Guttenberg hingegen wird seine kleinen Patzer in der nächsten “Polit”-Talkshow rhetorisch elegant wieder ausbügeln können.

Doch die Frage, wofür der “seriöse” Journalismus eigentlich noch steht, und wieviel “Outsourcing” hier schon betrieben wurde, wird im Raum der “Informationsgesellschaft” stehen bleiben.
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