Von David Noack
Die deutschen Kolonien in der Südsee sind heute so gut wie vergessen. Ein Grund mehr, über sie zu berichten. Zuerst zu Neuguinea: Seit 1892 unterhielt der Norddeutsche Lloyd eine regelmäßige Dampferverbindung von Singapur bzw. Sydney zum deutschen Schutzgebiet Neuguinea. Nach Aufständen der lokalen Bevölkerung und der Insolvenz der Neuguinea-Kompanie übernahm am 1. April 1899 das Reich die Kontrolle über das „Schutzgebiet“. Im Gegensatz zu anderen Schutzgebieten war das Territorium nun eine wirkliche Kolonie des Deutschen Reiches.
Zur Abwehr bzw. Bestrafung der lokalen Bevölkerung war keine Kaiserliche Schutztruppe aufgestellt, es gab lediglich Polizei-Formationen. Manchmal genügte schon das Aufkreuzen eines Kriegsschiffes, um Ruhe an Küste wiederherzustellen.
Das Vermessen und Vermarken der Grenzen von Kaiser-Wilhelmsland war Jahrzehnte lang nicht erforderlich – Grenzstreitigkeiten waren nicht zu erwarten. Erst „Goldfunde im Südosten von Kaiser-Wilhelmsland machten die genauere Festlegung der Grenzen an Ort und Stelle zur Notwendigkeit“. Eine deutsch-englische Grenzexpedition sollte ab November 1908 den 8. Grad südlicher Breite von der Küste bis zum 141. Grad östlicher Länge vermessen und festlegen. Daraufhin verhandelte im Frühjahr 1909 das Reichskolonialamt mit der niederländischen Regierung über die Festlegung der gemeinsamen Grenze im Westen des Kaiser-Wilhelmslandes.
Aus dem Gebiet wurde vor allem Phosphat, Kopra (Kokosnussfleisch), Sisalhanf (für Taue), Kautschuk, Tabak und Kaffee exportiert. Im Verlaufe des Spanisch-Amerikanischen Krieges (1898-1899) ließ Kaiser Wilhelm nach dem Bekanntwerden amerikanischer Pläne zur Annexion der Philippinen intern verlauten: „Das dürfen die Yankees nicht! Denn Manila müssen wir einmal haben!“
In der wichtigen Schlacht von Manila verhielten sich die deutschen Schiffe gegenüber den Amerikanern besonders aggressiv. Es wurden sogar – obwohl Deutschland in dem Konflikt neutral war, die spanischen Truppen in Manila mit Nachschub versorgt. Man wollte die Situation eskalieren lassen, um ein Eingreifen der europäischen Monarchien zu provozieren.
Der Republik der USA stand das Kaiserreich besonders misstrauisch gegenüber. Nach einer amerikanischen Drohung kommt es zum Rückzieher. Es folgte eine Friedenskonferenz in Berlin im Jahr 1899. Das ökonomisch abgehängte Königreich Spanien trat die Philippinen an Washington ab, Deutschland durfte als Trostpflaster die Karolinen kaufen.
Nun aber zu Samoa: Im Jahre 1889 kam Samoa unter gemeinsame amerikanisch-britisch-deutsche Verwaltung. Bereits 1898 erschütterten Spannungen das Inselrech. Die USA und das Vereinigte Königreich hatten einen anderen Thronfolger bevorzugt als Berlin. Amerikanische und britische Kriegsschiffe beschießen daraufhin die samoanische Hauptstadt. Erst ein amerikanisch-britisch-deutsches Abkommen vom 02. 12. 1899 beseitigte die Kriegsgefahr. London verzichtete auf weitere Ansprüche, da es im Verlauf der Burenkriege geschwächt war und wurde mit anderen deutschen Pazifikbesitzungen entschädigt (Nord-Salomonen-Inseln). Mit „allerhöchstem Erlaß“ vom 17. Februar 1900 wurden die Samoa-Inseln „westlich des 171. Längengrades westlicher Länge“ unter „deutschen Schutz“ gestellt. Das ebenfalls um Einfluss mitbuhlende Japan erhielt nichts.
Auf der neuen deutschen Pazifikbesitzung wohnten 38.000 Einheimische sowie 557 europäische Einwohner, unter letzteren unter anderem 329 Deutsche sowie 132 Engländer. Die Wirtschaft auf Samoa bildeten vor allem Baumwollpflanzungen und Kokosnussplantagen – Hauptexportgut dementsprechend Kopra und Kakao. Die Kolonie war für das Deutsche Reich nur minimal rentabel. „Ruhe und Ordnung“ in Deutsch-Samoa wurde nur durch Polizeikräfte sichergestellt – ebenfalls keine kaiserliche Schutztruppe.
Das „Jahrbuch über die deutschen Kolonien 1912“ gab die Empfehlung ab, dass nun 11 Jahre währende Provisorium zu beenden: Entweder solle Samoa ganz erschlossen und besiedelt oder gegen ein anderes Gebiet eingetauscht werden.
Im Ersten Weltkrieg wurden die diversen deutschen Kolonien von japanischen, britischen, neuseeländischen und australischen Truppen erobert. Papua-Neuguinea wurde erst australisch und am 16. September 1975 unabhängig. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Samoa erst neuseeländisches Treuhandgebiet und erlangte am 1. Januar 1962 die Unabhängigkeit. 1997 wurde der Staatsname von West-Samoa zu Samoa geändert. Erst in diesem Jahr wurde auf Samoa beschlossen, dass „letze Erbe des deutschen Kolonialismus“ zu beseitigen: Der Autoverkehr wurde vom Rechts- auf den Linksverkehr umgestellt.