Neoliberalismus im Grundgesetz
Von Sebastian Müller
Im Grunde ist es schwer zu fassen. In der Zeit, in denen sich der Neoliberalismus mit seiner größten Entlarvung, mit seiner größten empirischen und moralischen Diskreditierung konfrontiert sieht, scheinen seine Symptome ihren größten Siegeszug zu feiern.
Die FDP als Gralshüterin der neoliberalen Doktrin hat in Umfragen die historische Marke von 18% erreicht, und der neue Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg kündigt, ganz im Sinne der bisherigen Wirtschaftspolitik, das Ende der Konjunkturpolitik an.
Das alles sind aber nur paradoxe Randerscheinungen nach dem Bekanntwerden einer der größten Skandale nach den vergangenen “Reformwellen” überhaupt: Mit der von der Förderalismuskommision verabschiedeten Finanzreform ist die verschärfte “Schuldenbremse”, und damit der Zwang zum zyklischen Wirtschaften, im Grundgesetz verankert worden. Damit wird auch der Handlungsspielraum für eine nachhaltige Sozial- und Bildungspolitik entscheidend begrenzt werden. Oder anders formuliert: Das im Grundgesetz verankerte Sozialstaatsprinzip ist durch dieses “Antikonjunkturgesetz” relativiert worden.
Und der Treppenwitz der Geschichte geht noch weiter: Gerade das antikonjunkturelle, also zyklische Wirtschaften, das einherging mit der Verscherbelung des öffentlichen Tafelsilbers an private Investoren, hat zu einer steigenden Verschuldung mit immer weniger Gegenwert geführt. Die zwanghafte Fortführung dieser absurden Politik mit immer weniger Handlungsspielraum auf Raten wurde nun also im Grundgesetz, kaum widerruflich, festgeschrieben.
Dieser Akt ist symptomatisch für das dogmatische und ideologische festklammern der schwarzroten Regierungskoalition an einer neoliberalen Wirtschaftspolitik. Die verfassungsmäßige Verankerung aber ist ein genialer Schachzug der neoliberalen Interessensgemeinschaft, der die Alternativen einer linken Politik begrenzen und juristisch auch noch desavouieren wird.
Ein Kommentar zu "„Schuldenbremse“"