Der Krieg der Schande

Wie sich Israel zum Feindbild macht

Von Sebastian Müller

Der von Israel geführte Krieg im Gaza-Streifen sprengt jede Verhältnismäßigkeit. Man kann die Hamas verurteilen oder auch nicht, so mag auch die Bundesregierung obligatorisch ihre uneingeschränkte Solidarität mit Israel verkünden und den Krieg als Reaktion auf den Terror der Hamas rechtfertigen. Das macht diesen Akt der wahllosen Aggression aber nicht weniger zu einem Offenbarungseid, der mit fortwährender Dauer die kriegsverbrecherischen Methoden der israelischen Armee immer deutlicher aufzeigt.

Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Falken im Knesset statt eines Feldzuges gegen die Hamas eine Kollektivbestrafung des palästinensischen Volkes geplant haben. Wie sonst lässt sich noch die Weigerung der israelischen Regierung erklären, internationale Beobachter und Journaliste in das Kriegsgebiet zu lassen?

Und doch ist eines deutlich: Für das, was Israel derzeit im Gaza-Streifen anrichtet, bräuchte die Hamas mit ihren Kassamraketen viele Jahrzehnte. Die Anzahl der Todesopfer auf palästinensischer Seite wird wohl bald die Eintausend übersteigen. Zu Leiden hat weniger die Hamas, sondern vielmehr Unschuldige, darunter etliche Kinder (siehe UN-Bericht).

Eine unheilvolle Parallele zum Libanonkrieg zeichnet sich ab, der von Israel ebenso skandalös und wahnwitzig geführt wurde, wie das jetztige Massaker in Gaza. Sowohl in Gaza als auch im Libanon wurden von israelischen Streitkräften mysteriöser Weise UN-Posten und Laster mit Hilfslieferungen beschossen und Mitarbeiter erschossen. Die bitter benötigten Hilfskonvois wurden größtenteils nicht in die Krisenzonen gelassen ( http://derstandard.at/?url=/?id=1231151332105).

Die UN beschuldigte Israel zudem der Tötung von 30 Zivilisten in einem Gebäude, 40 weitere Todesopfer hat die Bombardierung einer Schule gekostet. Doch das sind nur einige von mittlerweile unzähligen Verwerfungen, die das Land zu verantworten hat. Israel führt nicht nur einen maßlosen Krieg jenseits jeglicher moralischer Legitimität, sondern verübt auch ein weiteres Verbrechen in der von Alleingängen unter Missachtung jeglicher UNO-Resolutionen geprägten Geschichte seiner Aussen- und Sicherheitspolitik. Das wird trotz aller Bemühungen Israels, den Feldzug fernab der internationalen Beobachtung zu führen, immer deutlicher.

Im Kontext der Geschichte des Nahost-Konflikts kann die Wahl dieses agressiven Mittels jedoch nicht mehr überraschen, ist es doch nur ein weiterer trauriger Höhepunkt in den Episoden der willkürlichen Drangsalierung des palästinensischen Volkes durch zahllose Checkpoints, Embargos, Strafexpeditionen und Mauerbau. Dennoch, oder gerade deswegen, wird dieser Krieg nicht zu dem Ergebnis führen, das sich Israel mittel- und langfristig von ihm erhofft.

Im Gegenteil, eine neue Generation von Opfern, Zeugen von unsäglichen Leid und brachialer Zerstörungswut, wird eines Tages mit Hass Vergeltung an Israel fordern. Ein besseres Rekrutierungsfeld für die Hamas konnte man nicht schaffen. Und noch etwas wurde erreicht: Das man sich spätestens jetzt mit der Frage auseinandersetzen muss, wer nun eigentlich für mehr Terror verantwortlich ist – die Hamas oder Israel, das nicht zuletzt durch seinen illegalen Siedlungsbau jeden ernsthaften Friedensprozess blockiert.

Print Friendly, PDF & Email
Filed in: Politik

Ähnliche Artikel:

<span style='font-size:16px;letter-spacing:1px;text-transform:none;color:#555;'>Linke Sammlungsbewegung</span><br/>Raus aus dem Kosmos der Singularitäten Linke Sammlungsbewegung
Raus aus dem Kosmos der Singularitäten
<span style='font-size:16px;letter-spacing:1px;text-transform:none;color:#555;'>Ghettoisierung</span><br/>Leben im Teufelskreis Ghettoisierung
Leben im Teufelskreis
<span style='font-size:16px;letter-spacing:1px;text-transform:none;color:#555;'>Burnout & Eigenverantwortung</span><br/>Die Neoliberalisierung der Psychotherapie Burnout & Eigenverantwortung
Die Neoliberalisierung der Psychotherapie

Ein Kommentar zu "Der Krieg der Schande"

  1. Anonymous sagt:

    Die Aussagen und Argumente sind von vorgestern, richtig. Deshalb sind sie ja nicht unwahr. Schade nur, dass ständig neue dazu kommen.

Einen Kommentar hinterlassen

Kommentar abschicken

le-bohemien