Was ist von Obama zu erwarten?

Von Sebastian Müller

Zu was wurde Barack Obama nicht schon alles stilisiert? Zum Heilsbringer schlechthin, zum neuen Kennedy, und das sind nur zwei der Attribute. Dem medialen Hype und der kollektiven, internationalen Euphorie, ja Hysterie sollte man allerdings auch nüchterne Betrachtungen entgegensetzen.

Das amerikanische „President-Building-Programm“ ist ohnehin nur mit Vorsicht zu genießen, die ganzen perfektionistischen Inszenierungen und Selbstdarstellungen in der Wahlkampfperiode sind als fader Beigeschmack der amerikanischen Propagandamaschinerie schon gar nicht ernst zu nehmen.

Brauchbare Informationen über den Politiker Obama sind jedoch nur durch ein feinstes Sieb zu erhalten. Obamas Wahlkampf-Reden waren eher messianische Botschaften, eingehüllt in rethorischen Pathos, allerdings bedenklich inhaltsleer, wenig konkret und bindend. Ein politisches Profil war und durfte auch nicht zu deutlich erkennbar sein, denn mit einem Schritt aus der Spielwiese der Oberflächlichkeiten wäre der gemeine US-amerikanische Wähler wohl kaum zu überzeugen.

Bedenklich stimmt da die Resonanz, die Obama als Präsidentschaftskandidat am Brandenburger Tor erhalten hat. Mit einem „Yes we can“ kann der Charismatiker Massen begeistern, von denen ein deutscher Politiker jeglicher Couleur nur zu träumen vermag. Noch bedenklicher ist allerdings die Berichterstattung der deutschen Medien, die durch die Bank durch Obamas Ausstrahlung hypnotisiert wirken. Das mag an seiner Undurchsichtigkeit liegen, denn ein rhetorisch begabter deutscher Politiker, der den Finger auf die Wunde unserer Gesellschaft legt und sich schon mal inhaltlich klarer äußert, wird da schnell als Demagoge und Polemiker verschrien.

Nun gut, was haben wir unter G.W. Bush nicht alles ertragen müssen, dieser Neokonservative lag selbst unseren (neo)liberalen Medien zu schwer im Magen. Da fällt es natürlich leicht, jegliche Alternative frenetisch hochzujubeln. Oder – ist unsereins einfach nur naiv? Und die Medien wissen schon genau was uns die nächsten 4 Jahre erwarten wird?

Fest steht, das Obama gegenwärtig ein Team um sich herum aufbaut, dessen Köpfe keineswegs für den von Obama propagierten „Change“ stehen, sondern vielmehr die bereits etablierte Politiker- und Wirtschaftselite dieses Landes repräsentieren. Doch was soll der zukünftige Präsident auch groß ändern können, selbst wenn er dies wollte? Zwar wird von einer graduellen Richtungsänderung in der Wirtschaftspolitik auszugehen sein – die auch die dringend notwendige, stärkere Kontrolle und Regulierung der Finanzmärkte mit einschließen dürfte – doch wie weit dieser Schritt wirklich gehen wird, bleibt abzuwarten.

Auch er wird einer Staatsräson verflichtet sein, seiner Geldgeber, den Interessensverbänden und Lobbyisten. Politik wird von Architekten einer großen Führungsjunta gemacht, in die das Pentagon und die CIA, sowohl als auch Vertreter der Rüstungsindustrie fest integriert sind (Militärisch-Industrieller-Komplex). Der Handlungsspielraum Obamas wird begrenzt sein.

Auf internationaler Ebene wird unter Obama vor allem eine Richtungsänderung in der Außen- und Klimapolitik erwartet. Doch was kann man diesbezüglich wirklich prognostizieren? Die Unterzeichnung des Kyotoprotokolls hat Obama bereits zugesichert. Ferner kündigte er die Bereitschaft zum Dialog mit dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez an, was eine vorsichtige Überarbeitung der bisherigen US-Lateinamerikapolitik bedeuten könnte. Allerdings wird auch hier von einem wirklichen „Change“ keine Rede sein können.

Desweiteren wird ein neuer direkter Dialog mit dem Iran in den Raum gestellt, während eine Verschlechterung der Beziehungen mit Pakistan zu erwarten sein dürfte. Hier wird einer sich im Wandel begriffenen geopolitischen Lage Rechnung gezollt. In diesem Zusammenhang wird auch neben einem allmählichen Truppenabzug aus dem Irak das Engagement in Afghanistan verstärkt werden. Dort wird Obama auch mehr Unterstützung von der EU und vor allem von Deutschland fordern.

Der neue Präsident wird also mitnichten eine Taube sein und weiter eine hegemonistische US-Politik betreiben (müssen), die sich nur in der Wahl der Strategie und Mittel von der seines Vorgängers unterscheiden wird. Im Übrigen: Zum Nahostkonflikt, der dringender denn je einer Lösung bedarf, hat sich Obama bisher noch gar nicht geäußert.

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