Wettbewerb
Wettbewerbsfähige Planwirtschaft?

Dem Begriff Staatsunternehmen haftet der Muff von Ostblock an, von Mangel, von Ineffizienz. Dabei waren diese oft genauso erfolgreich wie die heutigen Planwirtschaften: globale Konzerne.

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Foto: seven resist / flickr / CC BY-NC-SA 2.0

Von Jens Gregersen

Seit vergangenen März werden die USA durch die öffenliche Diskussion von Investoren beunruhigt, die das Prinzip Uber auf das Gesundheitswesen angewendet sehen möchten: Per App solle jeder Nutzer einen kurzfristigen Termin bei teilnehmenden Ärzten erhalten. Während die Befürworter schwärmen, die beiden quasimagischen Kräfte Internet und Wettbewerb würden so alle Mängel wie vor allem die „Überregulierung“ beseitigen, argwöhnen andere, gerade diese und die Beteiligung der „Politik“ würden die notwendigen weiteren Investoren derart gründlich abschrecken, dass in diesem Sektor so gar nichts zu bewegen wäre.

Uber im Gesundheitswesen würde bei mehr Logik in der Anwendung der Analogie bedeuten, dass jeder, der ein Taschenmesser sein Eigen nennt, über eine App für kurzfristige chirurgische Eingriffe zur Verfügung steht. Mag sein, dass manches Taschenmesser zumindest nicht mit Krankenhauskeimen kontaminiert ist – das Gesundheitswesen hat in Amerika wie auch hier Mängel, die jedoch gerade durch die Anwendung von Wettbewerb, den Zwang zur Renditeerwirtschaftung entstanden sind, nicht aber durch deren Abwesenheit. Dies wird weiter unten noch näher zu beleuchten sein.

Vorerst gilt es festzuhalten, dass Uber keineswegs für Wettbewerb steht. Uber hat nicht vor, das herkömmliche Taxigewerbe durch Wettbewerb zur Verbesserung des Angebotes zu veranlassen, Uber will es verdrängen und ein Monopol werden, so wie auch Google, Microsoft, Amazon und Ebay weitgehend Monopole sind. Keines dieser Unternehmen ist als Kronzeuge für die Segnungen des Wettbewerbs tauglich; sie sind Institutionen geworden wie Bahn oder Post.

Bahn oder Post jedoch hat man im Wettbewerbswahn weder ihre notwendige Monopolstellung, noch die sich daraus ergebende gesellschaftliche Kontrolle durch Staatseigentum zugestanden; sie mussten privatisiert werden, weil Staat für sich schon schlecht ist, ohne dass man dafür eine Begründung verlangen darf, und sich dem Wettbewerb anderer Anbieter stellen.

Warum das nicht funktionieren kann? Weil Post und Bahn ein flächendeckendes infrastrukturelles Angebot bereitzustellen haben. Viele Strecken und Zustellbezirke sind dabei weniger wirtschaftlich und werden durch eine Mischkalkulation mitfinanziert, indem in umsatzstärkeren Regionen derselbe Preis verlangt wird, obwohl man dort billiger sein könnte. Dann aber müßte man in weniger umsatzstarken einen politisch nicht gewollten höheren Preis verlangen, um identische Strecken- und Personalkosten zu decken.

Private Wettbewerber jedoch werden sich, wie offensichtlich war und die Praxis bestätigt hat, aussschließlich auf lukrative Metropolregionen und den Verkehr zwischen ihnen stürzen, wo sie aufgrund des Volumens günstiger sein können. Der einstige Monopolist verbleibt auf den weniger lukrativen Marktsegmenten und wird in eine Spirale aus Sparzwängen getrieben, die exakt das Gegenteil von dem bewirkt, was der segensreiche Wettbewerb doch erreichen sollte.

Bahn und Post waren einmal die größten Arbeitgeber in Deutschland. Niemand bezeichnet ihre Privatisierung und ihren Rückbau als Erfolgsstory. Dennoch haftet dem Begriff Staatsunternehmen immer noch ein Muff von Ostblock an, von Mangel, von Ineffizienz. In SPIEGEL-Artikeln gewinnt man schon einmal den Eindruck, das größte Problem der sozialistischen Staaten wäre nicht das Demokratiedefizit gewesen, sondern der „invasive Staat“. Dabei muss viel Staat und sogar wirtschaftliche Planung nicht unbedingt ineffizient sein. Viele heutige globale Konzerne mit ihren Just-in-Time-Zulieferern sind intern Planwirtschaften von weitaus größerer Komplexität als die Sowjetunion, und diese Planung ist durch den heutigen Stand der IT nicht nur hocheffizient, sondern auch allgemein akzeptiert. Warum? Weil Produkte dabei herauskommen, die die Käufer wollen, und welche Produkte die Käufer wollen und wie viele man ihnen verkaufen kann, ist ebenfalls geplant.

Die Unzufriedenheit der Menschen mit der Wirtschaft der Ostblockstaaten war kein Resultat der Planung an sich, sondern der fehlenden Konsumentensouveränität. Die Armee als Konsument konnte hervorragende Produkte bekommen, die wie die Kalaschnikow und die MiG international konkurrenzfähig waren; wahre Exportschlager und heute noch in schmerzlich umfangreicher Verwendung. Hätte man mit Marktforschung stattdessen das Augenmerk darauf gerichtet, was die Menschen sich wünschen, ihre Konsumwünsche zufriedengestellt, so wäre allenfalls die damals noch weniger leistungsfähige IT ein Hemmschuh gewesen. Das sah man bis weit in die 1940er Jahre auch im Westen so; kein Ökonom bezweifelte die Funktionsfähigkeit einer Planwirtschaft, und viele sahen auch die Rolle der sich verbessernden Rechenleistung dabei voraus.

Was die Verfechter einer liberalen Witschaft wie Mises und Hayek heraufbeschwörten, war nicht etwa eine damit per se einhergehende geringere Effizienz, sondern der daraus ihrer Meinung nach zwangsläufig resultierende Totalitarismus.

Womit wir wieder beim eingangs erwähnten Gesundheitswesen wären, denn dieses nennen in den USA viele Totalitarismus, weil Krankenversicherung für alle Kommunismus sei. Der Wettbewerb jedoch, der in diesem Sektor auch hierzulande Einzug gehalten hat, treibt seltsame Blüten: So werden vielen privat Versicherten unnötige und risikoreiche Operationen nahegelegt, und das nur, weil ihre Versicherung sie abdeckt und der Arzt oder die Ärztin eine Verpflichtung hat, nach Rentabilitätsgesichtspunkten zu handeln. Verschwendung und Ineffizienz eliminiert man so nicht. Dafür braucht es nur ein professionelles Controlling und andere Instrumente der, ja, Planung.

Foto: seven resist / flickr / CC BY-NC-SA 2.0

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4 Kommentare zu "Wettbewerb
Wettbewerbsfähige Planwirtschaft?"

  1. rote_pille sagt:

    Monopole sind nicht per se schädlich. Wenn ein Konzern auf etwas ein Monopol hat, bedeutet das, dass dieser die Ware am günstigsten herstellt. Ein staatliches Monopol hingegen bedeutet, dass die Konkurrenz mit Gewalt vom Markt ferngehalten wird, was immer schlecht ist.
    Taxilizenzen sind so ein Monopol. Die Regierung hält den Wettbewerb vom Markt fern, sodass Taxifahrer höhere Preise verlangen können als der Markt ohne Einmischung hergeben würde. Zum Schaden aller anderen. Google hingegen wird freiwillig aufgerufen, weil die Suche schnell und effizient abläuft. Würde das Unternehmen seine Leistungen verschlechtern, hätten die Verbraucher immer noch andere Suchmaschinen zur Auswahl.
    Bei Situationen, wo der Wettbewerb aus technischen Gründen nicht möglich ist mag staatlicher Betrieb sinnvoll sein. Das sehe ich bei der Post aber nicht gegeben, es gibt zu Briefverkehr digitale Alternativen wie E-Mail, also wird man mit den Preisforderungen nicht übertreiben können, und die Paketlieferungen werden sowieso schon Privat übernommen. Die Bahn hat weniger Konkurrenz, aber Autos und Flugzeuge sorgen auch da für eine Eindämmung der Exzesse. Man könnte den Wettbewerb verschärfen indem man aufhört den Besitz/Betrieb eines Autos durch staatliche Eingriffe wie Steuern auf Benzin so teuer zu machen.
    Mises hat 10000000 Mal auf die Ineffizienz der Planwirtschaften (die auf Gewalt beruhen) hingewiesen und ausdrücklich verdammt. In einer Planwirtschaft gibt es keine Marktpreise, ohne Marktpreise keine Wirtschaftsrechnung, ohne Rechnung nur Verschwendung. Er hat dem Thema ein ganzes BUCH gewidmet:
    http://docs.mises.de/Mises/Mises_Gemeinwirtschaft.pdf
    Zitat: “Was nun die Ersparnisse an Material und am Transporte
    anbelangt, so zeigt die Erfahrung, daß nirgends in dieser Hinsicht so
    wenig sparsam verfahren wird, und daß nirgends mehr Verschwendung
    mit Arbeitskraft und mit Material jeder Art betrieben wird als im
    öffentlichen Dienste und in den öffentlichen Betrieben. Die
    Privatwirtschaft dagegen sucht schon im eigenen Interesse der Besitzer
    möglichst sparsam zu arbeiten”
    Bitte unbedingt lesen.
    Konzerne mit Planwirtschaft zu vergleichen ist falsch. Konzerne wachsen nicht über bestimmte Größen (jedenfalls nicht ohne staatliche Eingriffe), welche durch die effiziente Nutzung der Mittel gegeben sind. Ihre Abteilungen können sich die Dinge immer noch in Rechnung stellen, und es wird gewinnorientiert gehandelt, was für die effizienteste Allokation der Mittel sorgt. Der Staat hingegen ist ein Verschwender, er verfolgt andere Ziele als Gewinnmaximierung und verschwendet somit knappe Mittel an etwas, was man billiger betreiben könnte. Die Arbeiter in der Staatwirtschaft machen durch auf die Politiker und Beamten und verschaffen sich Privilegien, die auf Kosten aller anderen Marktteilnehmer gehen.

    • rote_pille sagt:

      *letzter Satz:” Druck” statt “durch”

      • Jens Gregersen sagt:

        Monopole sind nicht per se schädlich (wie ich auch schrieb) – es sei denn, sie sind privat, weil dies eine Usurpation gesellschaftlicher Kontrolle bedeutet. Private Monopole sind nicht etwa stabil wegen vorgeblich günstiger Preise (die sie ja diktieren können), sondern weil sie durch Aneignung von Infrastrukturen und enorme Economies of scale vor Wettbewerb durch Kleinunternehmen sicher sind. Diktiert hingegen ein Staatsmonopol überhöhte Preise oder bietet ein schlechtes Angebot, so ist die Ursache ein Demokratiedefizit.

        Auch bei der Behauptung, Konzerne würden höchstens durch staatliche Eingriffe über ein bestimmtes Maß hinaus wachsen, ist das Gegenteil richtig, greifen doch staatliche Wettbewerbshüter permanent ein, um zu verhindern, dass der Markt zu seiner eigenen Auflösung in Monopole und Oligopole tendiert.

        Auch die “Macht” und die “Privilegien” von Staatsbediensteten wie etwa Lehrinnen und Lehrern vermag ich nicht zu erkennen, da diese massiv von einem Spardiktat behindert werden, das aus der Steuervermeidungspolitik von Großunternehmen resultiert. Deren Einfluss auf die Politik ist unzweifelhaft bedeutsamer als umgekehrt.

        Anstelle der sattsam bekannten Argumente von Mises, der nícht einmal so tückisch argumentieren konnte wie Milton Friedman (“Capitalism and Freedom”), empfehle ich meinerseits die Lektüre des zu Unrecht weniger bekannten Zeitgenossen Walter Adolf Jöhr (“Ist ein freiheitlicher Sozialismus möglich?”), der den Sozialismus ablehnte, ohne die grundsätzliche Funktionsfähigkeit einer Planwirtschaft ideologisch wegargumentieren zu wollen, oder die von Oskar Lange – insbesondere zur Reflexion seiner Aussage; “Der Markt ist ein Kalkulationsinstrument des vorelektronischen Zeitalters.”

  2. Idahoe sagt:

    Ökonomisierung ist die Fortsetzung der Bürokratie mit anderen Mitteln.
    Franz Maria Arwee

    Noch Fragen zum Scheitern?

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