Unternehmenskultur
Wie sozial ist CSR?

Corporate Social Responsibility (CSR) ist in aller Munde. Gemeint ist damit die soziale Verantwortung von Unternehmen in der Gesellschaft. Ein Aspekt, der nicht nur zunehmend Kaufentscheidungen beeinflusst, sondern auch die Jobwahl. Das haben auch die Unternehmen erkannt und eilig ethische Standards festgelegt.

CSR

Foto: Jack Temple / Flickr / CC BY-NC 2.0

Texte sind schnell geschrieben und für Außenstehende nicht immer einfach zu durchschauen. Deswegen haben wir jemanden gefragt, der eine Vision von einer Mission unterscheiden kann. Simone Burel schreibt gerade ihre Dissertation über Unternehmenswerte und ist somit ausgewiesene Expertin im Karneval der Begriffe. Wer eine Vision hat, sollte also nicht zum Arzt gehen, sondern zu Simone Burel.

Die meisten Unternehmen verschriftlichen heute grundsätzliche Leitlinien in Form von Visionen, Mission Statements oder Codes of Conduct. Für Außenstehende ist es oft schwer, den Unterschied zu erkennen. Kannst du uns da helfen?

SB: Für Unternehmen ist es gegenwärtig in der Tat wichtig, ein „Selbstbekenntnis“ in Textform anzubieten. Unternehmen sind jedoch oft sehr ungenau mit ihren Textbezeichnungen, was interessierte Leser durchaus verwirren kann. Denn es werden nicht nur prominente Bezeichnungen wie „Vision“, „Mission Statement“ oder „Code of Conduct“ synonym genutzt, sondern darunter auch ähnliche Inhalte subsumiert.

Gleichsam ist es aber auch beobachtbar, dass verschiedene Unternehmen die Textsorten unterschiedlich interpretieren. Man kann also schwer einen Textsorten-Prototyp für die Realität auffinden. Die konkreten handlungsbezogenen Werte und Prinzipien unterscheiden sich durch ihre rechtliche Bindung von der eher bildhaften Vision und Mission. Vision und Mission implizieren einen stärkeren Zukunftsbezug und wollen das Verhalten der Adressaten leiten, indem sie auf bestimmte Ziele verpflichten und zu motivieren suchen. Der Code of Conduct setzt dagegen nur allgemeine Prinzipien fest.

Oft hat es den Anschein, dass solche Wertegerüste erst als Reaktion auf Kritik von außen verfasst werden. Erst wenn etwas passiert ist, wird Besserung gelobt. Wieviel ist also Greenwashing und wieviel ist wirklich ernst gemeint?

SB: Das ist aus meiner Perspektive schwer zu beurteilen. Einerseits ist häufig zu beobachten, dass Unternehmen gerade nach Krisen Werte wie „Sicherheit“ und „Transparenz“ hochhalten (z.B. die Banken) und sich damit dem vielfach kritisierten Trend der Vermarktung einer Unternehmensethik unterwerfen. Welches große Unternehmen kommt heute noch ohne Kernwerte aus? Gleichsam ist dies aber auch als systemischer Effekt von veränderten gesellschaftlichen und sozioökonomischen Bedingungen zu sehen, denen gerade Großkonzerne heute ausgesetzt sind. Ihre Produkte werden aus Sicht der Konsumenten. immer ähnlicher.

Ohnehin sind viele Märkte bereits gesättigt. Deswegen versuchen Unternehmen, sich durch solche Werte einen Mehrwert zu schaffen. Zudem sind Verbraucher mittlereile auch kritischer und fordern ethische Transparenz von Unternehmen. Unternehmen müssen also auch ihr Handeln gegenüber einer kritischen Öffentlichkeit legitimieren. Werden die proklamierten Werte dann aber nicht eingehalten und wird dies öffentlich bekannt, kann dies zu großen Umsatz- oder Imageproblemen führen (z.B. aktuell bei Amazon oder ADAC).

Papier ist geduldig. Können solche Leitlinien wirklich helfen, das Verhalten des Unternehmens und der Mitarbeiter zu lenken oder gar zu ändern?

SB: Es gibt in der Tat einen Zusammenhang zwischen Sprache und Denken bzw. dann auch dem Handeln. Solche Ansätze werden auch in der Motivationsforschung und der positiven Psychologie allgemein untersucht. Die „Vision“ etwa antizipiert einen SOLL-Zustand und setzt durch positive Formulierungen erhebliche Motivationspotenziale frei. Gemeinschaftsstiftende Komponenten unterstützten den einzelnen Mitarbeiter, den Zielzustand anzuvisieren und die Vision als Orientierung und Appell zu sehen.

Durch diese Mobilisierung ist die bessere Zukunft damit auch tatsächlich wahrscheinlicher (z.B. mehr Umsatz, führendes Unternehmen in x). Teilweise werden Visionen aber auch so utopisch formuliert, dass diese nie völlig erreicht werden können, bzw. immer wieder erneuert werden müssen, um eine positive Zukunftsperspektive aufrechtzuerhalten. Solche „permanenten Illusionen“, die dauerhaft die Motivation aufrecht erhalten sollen, werden durchaus auch kritisch gesehen.

Immer mehr Menschen entscheiden sich bewusst für Unternehmen, mit deren Werten sie sich identifizieren können. Wie kann ich sehen, ob ein Unternehmen wirklich zu meiner Werteauffassung passt?

SB: Diese Idee folgt der Auffassung, dass ein Unternehmen sich als Unternehmenspersönlichkeit erfahrbar macht und dem Individuum dadurch eine Plattform zur Selbsterfahrung und Selbstfindung anbietet. Da die Grundbedürfnisse der meisten Konsumenten in der westlichen Welt befriedigt sind, kann dem Konsumenten und dem Bewerber dadurch ein Nutzen angeboten werden. Die Bestätigung der Selbsterfahrung (Wie bin ich? Welche Werte habe ich?) oder Differenzierung/Abgrenzung können somit befriedigt werden.

Im Bankenbereich sind dies häufig die Sicherheits-Werte und im Automobilbereich eher die Emotionen wie Freude oder Leidenschaft, die dann als „Werte“ angegeben werden. Vergleicht man dabei die Werte von potenziell präferierten Unternehmen, wird man nicht nur feststellen, dass diese sehr homogen sind (etwa häufen sich Integrität, Leidenschaft, Qualität, Innovation), sondern auch, dass dies alles Pro-Werte sind. Das heißt, es sind alles Werte, die per se nicht zu verneinen und insgesamt gesellschaftlich als „hochwertig“ anerkannt sind.

Aus Unternehmenssicht ist zudem mit zu bedenken, dass Werte natürlich auch dazu dienen können, den Menschen eine „cognitive map“ anzubieten und sie in eine bestimmte Richtung zu „leiten“. Fühlt man sich heimisch und vertraut, kauft man eher und wird sich wahrscheinlich auch eher bewerben.

Wie entwickelt sich das Thema deiner Meinung nach in der Zukunft? Ist das ein vorrübergehender Trend oder werden Unternehmen sogar noch mehr auf diese Aspekte achten?

SB: Aufgrund der gesättigten Bedürfnisse der Konsumenten, der sich immer weiter angleichenden Produkte und der allgemeinen Informationsüberlastung werden Unternehmen sicherlich in Zukunft noch stärker versuchen, durch ihr „ethisches Profil“ einen Mehrwert anzubieten – auch wenn dies vielen nicht gelingen wird. Unternehmen ringen um Aufmerksamkeit und versuchen ihre Wertevorstellungen vermehrt nach außen zu tragen. Quantitativ befriedigende Arbeit muss jedoch nicht gleichsam auch qualitative Wertigkeit bedeuten. Es muss dem Unternehmen gelingen, die Werte klar und nachvollziehbar darzustellen und vor allem Werte zu finden, die tatsächlich einzigartig sind und nicht von allen besetzt werden.

Dass Werte nach ihrer kommunikativen Einführung dann auch tatsächlich eingehalten werden, ist eine zweite Frage. Beispielsweise können Unternehmen die Zulieferstoffe für ihre Produkte weltweit dort einkaufen, bzw. produzieren, wo es gerade am günstigsten ist. Für Mitarbeiter und die Öffentlichkeit ist das Unternehmenshandeln daher kaum mehr zu lokalisieren bzw. in seiner Komplexität zu fassen. Daher wird auch von Unternehmensseite viel dafür getan werden müssen, um in der kritischen Öffentlichkeit zu bestehen.

Simone Burel – Vielen Dank für deine Zeit.

Simone Burel hat Germanistik, Anglistik und Pädagogik in Mannheim, London und Heidelberg studiert. Heute arbeitet sie als Lehrbeauftragte für „Angewandte Unternehmenskommunikation“ an der Universität Heidelberg und promoviert über die sprachliche Konstruktion von Selbstbildern bei den DAX-30-Unternehmen. Das Interview erschien zuerst hier – mit freundlicher Genehmigung von Jobs To Be.

Artikelbild: Jack Temple / Flickr / CC BY-NC 2.0

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