Gutmenschentum und Zynismus

Eine kurze Anmerkung zu den Widersprüchen und Defiziten im medialen Streit der “Gutmenschen” und deren Kritikern – den Zynikern.

Gutmensch

Bild: Chance Lauver (CC BY-NC-ND 3.0)

Von Günter Buchholz

Es gibt bekanntlich einen – manchmal katastrophalen – Unterschied zwischen “gut gemeint” – oder der vermeintlich oder tatsächlich guten Gesinnung – und “gut” in einem intersubjektiv begründbaren Sinne sowie, insbesondere, im Sinne der tatsächlichen Folgen.

Wer sich dessen nicht bewußt ist und ebenso naiv wie beschränkt auf der persönlichen subjektiven Gesinnung beharrt, um diese zur Geltung zu bringen, der muß anderen, die ebenso berechtigt eine andere subjektive Gesinnung haben oder die sich bereits über die Folgen Gedanken gemacht haben, als zwanghafter Rechthaber, als Vertreter einer Political Correctness oder einer Ideologie, als nur vermeintlich wohlwollender Diktator, oder als totalitärer Erzieher eines neuen Menschen erscheinen.

Es ist dieser überspannte Subjektivismus, der sich weder seiner Relativität noch seiner Beschränkheit bewußt ist, dessen illegitimer Wille zur Verallgemeinerung und das heißt zur Übergriffigkeit auf andere Menschen zu genau der Reaktanz führt, die sich im Schimpfwort des “Gutmenschen” ausdrückt. Freilich erscheint in dieser Reaktanz oftmals nicht nur die berechtigte Abwehr dessen, was im schlechten Sinne gut gemeint ist, sondern es offenbart sich ein Zynismus, der sich gegen das Gute im intersubjektiv begründbaren Sinne selbst richtet, und eben daher nicht gut ist.

Dieser Zynismus samt seinen inhumanen Implikationen, z. B. soziale Kälte und Gleichgültigkeit, ist diesen Kritikern der “Gutmenschen” vermutlich und in der Regel nicht bewußt, weshalb sie sich selbst wiederum für gut – und
zugleich für realistisch halten. Wobei sie ihrerseits zu wissen meinen, dass sie, einfach weil die Welt oder die Menschen angeblich immer schon schlecht oder verderbt seien, mit ihrem Zynismus nur deren angemessener subjektiver Ausdruck seien.

Diese Kombination sichert ihnen in ihrem Bewußtsein ihre Überlegenheit gegenüber den tumben Gutmenschen, deren subjektive Verblendung, aus der sie ihre absurden Gewißheiten ableiten, ihnen eine realitätsgerechte Haltung zur Welt versperrt, und die in dem Wahn leben, sie wären berechtigt und in der Lage, die Welt – und besonders die anderen Menschen – an ihre Verblendungen anzupassen, wenn nötig, dann eben mit Zwang.

Beide Bewußtseinsformen, die des Gutmenschen wie die des Zynikers, sind objektiv unangemessen, weil defizitär. Sie lösen keine gesellschaftlichen Probleme, sondern sie sind selbst Teil dessen, worunter wir gesellschaftlich leiden.

Artikelbild: Chance Lauver (CC BY-NC-ND 3.0)

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4 Kommentare zu "Gutmenschentum und Zynismus"

  1. Fabian Buschtrommel sagt:

    Der Kampfbegriff “Gutmensch” versucht die Vorstellung von sozialer Verantwortung und dergleichen ins Lächerliche zu ziehen und zu sanktionieren. Es geht dabei auch darum was im öffentlichen Diskurs zulässig ist und was nicht. Überflüssig zu erwähnen das auch “Gutmenschen” nicht perfekt sind, im Bezug auf politische Debattenkultur geht es doch um das Defizit an Objektivität und Fairness, Zynismus ist an der Stelle nicht zuletzt ein rhetorischer Taschenspielertrick der darauf abzielt solche Ansprüche von vornherein ab zu legen, indem sie ggf. den (ideologischen) Feind markieren und dem gegenüber gibt es bekanntlich andere moralische Standards.

    Wenn man so “Gutmenschen” und “Zyniker” gegenüberstellt und quasi im Vakuum als “Bewußtseinsformen” seziert, läuft man dann nicht Gefahr zum einen, sich von vornherein einen fremden Betrachtungsrahmen aufzwingen zu lassen und sich damit am ende sogar dem verzerrenden Zweck dieses Kampfbegriffes an zu dienen, der doch darauf abzielt den Diskursrahmen nach Rechts (also in die Sprache und damit das Denken aus der Sicht von Rechts) zu verschieben? Zum anderen bleibt die geschichtliche Dimension unbetrachtet – ohne das zu sehr vertiefen zu wollen-, wenn man in den 60er Jahren davon sprach das die Universitäten von Linken unterwandert werden und heute die political correctness den weg für die Islamisierung Europas ebnet oder Weltverbesserer, Ökos, Müslifresser sich als Kampfbegriffe über die Jahre ablösten bevor der “linksgrüne Gutmensch” begonnen hat mit Windrädern den Stalinismus wieder zu errichten, dann kann man daraus vieleicht auch Erkenntnisse ableiten. Zum Beispiel darüber mit welchen Mitteln versucht wird auf der einen Seite den Status Quo an zu fechten indem man die Grenzen des sagbaren nach Rechts verschiebt während man aber gleichzeitig den Eindruck zu erwecken versucht, diese verschiebten sich nach Links und zum anderen über die konservative Tradition, sozialen Aktivismus mit schwäche, irrationalität oder verrat (vgl.:”Putinversteher”) zu assoziieren.

    Wenn man dazu nimmt das unter diesen Ressentiments, die vulgärsten (also die die nicht für das Establishment bestimmt sind), oft auch eine Bildungsfeindlichkeit mitklingen lassen, die nochmals Objektivität und Fairness zB in Form der Regeln akademischer Gelehrsamkeit als Maß ausschliessen, dann weisst das am Ende vieleicht auch darauf hin das der vermeintliche mediale Streit zwischen “Gutmenschen” und “Zynikern” am ende eigentlich ein Streit zwischen den Eliten und jenen ist, die den Status Quo anfechten von dem die Eliten profitieren. Nur wenn man die Vorstellung vom sozialen Gewissen als etwas lächerliches darstellen kann, gelingt es auch eine schrumpfende Mittelschicht dazu zu verleiten sich gegen eine wachsende Unterschicht zu richten während die Willkür walten lassenden Eliten einen nie dagewesenen Reichtum anhäufen.

    • Günter Buchholz sagt:

      Was ich gar nicht ausstehen kann, das sind auf der einen Seite diejenigen, die ich als “Gefühlslinke” bezeichne, und die von anderen, nicht von mir, polemisch als “Gutmenschen” bezeichnet werden, denn das sind die vielen, die mangels Logik plus Erfahrung nichts tragfähig begründen und daher nicht argumentieren können, sondern die statt dessen von ihren Pseudogewißheiten direkt zur Diffamierung übergehen, indem sie mit Kampfbegriffen um sich schlagen, und das sind auf der anderen Seite diejenigen, die ihren persönlichen egozentrischen und oft bissigen Zynismus mit Realismus und Vernunft überhaupt verwechseln. Beide Bewußtseinsformen sind m. E. bezüglich der Realität inadäquat.
      Das Problem (nicht nur) der Linken (i.w.S.) ist ihre Geschichts- und vor allem ihre Theorievergessenheit und die daraus folgende dämliche Geschwätzigkeit.

      Es ist die zentrale Frage nach den theoretischen Grundlagen der Parteien zu stellen. Welche Grundlagen sind das jeweils? Die Antwort dürfte vermutlich fast überall “das Schweigen im Walde” sein, weil man hier nicht mit politischem Alltagspragmatismus und mit konsensualen Pseudogewißheiten weiterkommt. Und dieses Schweigen: das ist der intellektuelle Offenbarungseid! Er wäre allererst laut und deutlich in allen Medien zu verkünden. Was wirklich nötig ist, das ist eine ernsthafte gesellschaftliche intellektuelle Anstrengung und gerade nicht eine interessengeleitete Mainstream-Geschwätzigkeit, wie sie täglich durch alle Medien schwappt. Ein Erfolg im Hinblick auf intellektuelle Reflexion wäre zum Beispiel erreicht, wenn Frau Merkel damit aufhörte, die Sprechblase “Wettbewerbsfähigkeit” abzusondern, weil sie verstanden hätte, was daran grundfalsch ist. Aber das wird wohl nicht geschehen. –

      Ich verweise weiterführend auf:
      http://cuncti.net/streitbar/458-das-politische-links-rechts-schema-und-die-frage-was-ist-heute-links

  2. Besucher sagt:

    Ich glaube das Gutmenschentum speißt sich aus der (Denk-) Faulheit und Trägheit einer durch und durch dekadenten Gesellschaft. Man möchte am Status quo festhalten obwohl um einen herum schon alles am verfaulen ist.

    Eckelhaft :-(

  3. Günter Buchholz sagt:

    Ich möchte hier noch gern auf den folgenden, m. E. ausgezeichneten Artikel von Günter Ropohl hinweisen:

    http://frankfurter-erklaerung.de/2014/08/politische-korrektheit-wider-den-aufstand-der-gutmenschen/

    siehe: die dortigen links

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