Exkremente im Knastessen

Unbefristeter Hungerstreik des Gefangenen Werner Braeuner

Seit dem 8. Mai 2011 befindet sich der Gefangene Werner Braeuner im Hungerstreik und verlangt vom niedersächsischen Justizministerium Eigenverfügung über den Tagesverpflegungssatz für Gefangene zwecks Selbstbeköstigung. Das Ministerium lehnt ab. le bohémien dokumentiert dazu die Erklärung von Werner Braeuner, die ein verstörendes Licht auf die Zustände in deutschen Gefängnissen wirft:

Bereits seit der zweiten Februarwoche 2011 habe ich aus unüberwindlichem Ekel keine in der Knastküche in Kesseln zubereiteten Speisen mehr gegessen; im einzelnen sind dies Salat, das meiste des Gemüses, Suppe, Soße, die überwältigende Mehrzahl der Fleischgerichte ( Gulasch, Frikassée, Geschnetzeltes, Chili ) sowie von der Küche hergestelltes Dessert. Bei derart eingeschränkter Ernährung stellen sich infolge Mangels an Eiweiß, Vitaminen und Mineralien nach einiger Zeit schwere und bleibende Gesundheitsschäden ein.

Um dem zu entgehen, verlange ich vom zuständigen Landesjustizministerium in Hannover, mir den Tagesverpflegungssatz für Inhaftierte in Höhe von zirka 7 Euro zu überlassen, um mit diesem Geld beim Knastkaufmann einkaufen und mich selbst beköstigen zu können. Das Ministerium lehnt dies ab. Da ich eine gerichtliche Entscheidung dieses Streitfalls zu meinen Gunsten nicht erwarte und auch die Verfahrenskosten nicht tragen könnte, beginne ich am 08.05.2011 ein Todesfasten.

Im Kampf für meine Gesundheit und Würde setze ich mein Leben ein. Nachdem durch das Fasten bleibende Gesundheitsschäden eingetreten sein werden, werde ich es unabhängig von einem eventuellen Einlenken des Ministeriums bis zum Ende fortsetzen. Wenn ich von Exkrementen freie Nahrung nur um den Preis erhalte, zuvor meine Gesundheit beschädigt zu haben, ist ein Leben in Würde nicht mehr möglich. Durch ekelerregende Eintragungen ungenießbar gemachtes Essen ist ein in allen Knästen auftretendes und bekanntes Problem.

Die Justizbehörden bestreiten dies mit der Begründung, es werde von jedem Kesselgericht eine Probe genommen, die vom örtlichen Gesundheitsamt auf Eintragungen hin untersucht werde. Tatsächlich werden diese Proben allerdings jenen Kesseln entnommen, in denen die in der Küche arbeitenden Gefangenen das Essen für sich selbst zubereiten. Solche Zweitkessel sind regelwidrig doch verbreitete Praxis, da die Knastküchen andernfalls früher oder später von den Gesundheitsämtern geschlossen werden würden.

Knäste sind Heimstätten der Niedertracht; es gibt dort eine im Vergleich zu draußen weit überdurchschnittliche Zahl von persönlichkeitsgestörten bis hin zu verrückten Menschen, die aus geringfügigen Anlässen bisweilen extreme Verhaltensweisen an den Tag legen – z.B. aus allgemeiner Gekränktheit, diffusem Frust, Mißgestimmtheit und auch manchmal ohne irgendwie nachvollziehbare Anlässe. Anlaß für ein motivlos scheinendes wahlloses Schädigen anderer Personen kann schon die seelische Entlastung sein, die eine gestörte Person sich durch eine niederträchtige Handlung zu verschaffen vermag.

So kommt es in den Knastküchen nicht selten zur Entdeckung von ekelerrregenden Einträgen im Essen. Die in der Küche tätigen Gefangenen werden dann energisch zum Schweigen verplichtet und für den Fall der Zuwiderhandlung mit Rauswurf, Arbeitsverbot, Disziplinarstrafen, Verlegung in andere Knäste usw. bedroht. Dennoch dringen als zuverlässig zu bewertende Informationen über jene Vorgänge selbstverständlich nach außen. Von den Gefangenen werden sie meist verdrängt, da man dem völlig hilflos gegenübersteht.

Man „schluckt’s runter“ – buchstäblich – oder es werden bestimmte Speisen gemieden, meist der montägliche Eintopf und die Nachspeisen – die Bewältigungsversuche variieren je nach Person. Der Ekel hängt ständig in der Luft ohne je greifbar zu werden; Äußerungen wie ‘der Erdbeerquark hat heute ja richtig Farbe’ können da sehr spezielle Bedeutungen gewinnen. Ekelerregendes Essen kommt dem Arbeitsregime des Knasts sehr entgegen, da es zusätzliche Motivation zur maximalen Verausgabung der körperlichen und nervlichen Kräfte an den Höchstleistung verlangenden Stücklohn – bzw. Pensumsarbeitsplätzen beisteuert.

Den dennoch geringen Verdienst ‘investieren’ Gefangene wahlweise entweder in Genuß- und Betäubungsmittel oder eben in Nahrung. Würde den Gefangenen der justizbehördlich festgelegte Tagesverpflegungssatz von täglich ca. 7 Euro zwecks Selbstbeköstigung überlassen, würden sich mit dem Ausbeutungsdruck zugleich die Einnahmen der Justizbehörde aus Gefangenenarbeit fühlbar verringern ( Eine Vielzahl der Gefangenen erwirtschaftet in sogenannten Unternehmerbetrieben innerhalb der Anstalt Einnahmen für die Justizbehörde). Mit dem beinahe allseitigen, politischen Kehrtmachen der 1948 an die Regierung gekommenen Repräsentanten der qualifizierten Lohnarbeiterschaft sowie der diese qualifizierenden Lehrerschaft wurden die Knäste der BRD zu knallharten Arbeitslagern rückgeformt, und dies sehr zügig kurz nach Verkündigung der ‘Agenda 2010’ im Jahre 2003.

Das Strafvollzugsgesetz wurde massiv unterlaufen und von einigen Bundesländern auch neu gefaßt. Die Justiz hat dem assistiert; heute ist der Strafvollzug ein weitgehend rechtsfreier Raum, eine Spielwiese für Kriminelle, allerdings für kriminelle Bedienstete des Strafvollzugs. Mittlerweile geben sich Gefangene, die sich hilfesuchend an die Justiz wenden, der Lächerlichkeit preis. So werde ich die Gerichte beim Streit mit dem Ministerium nicht hinzuziehen. Justiz war gestern, heute ist direkter Schlagabtausch mit dem Feind – auf Biegen und Brechen.

Ich werde siegreich aus diesem Kampf hervorgehen, gleichgültig wie er ausgehen mag. Bisweilen ist es besser, im Kampf zu sterben, denn als Geschlagener zu leben. Die Herrschenden und ihre Büttel können nur noch bestehen, indem sie demonstrieren, zu jeglicher ruchlosen Tat und zu jedem Verbrechen gewillt zu sein. Sich solchem Abschaum bis in den Tod nicht zu ergeben, ist ein großes Ja zu Kampf und Leben.

Werner Braeuner, JVA Sehnde/Niedersachsen

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14 Kommentare zu "Exkremente im Knastessen"

  1. Pit sagt:

    Wir alle sollten endlich begreifen,das wir schon morgen in der gleichen Situation sein können.In diesem Regime herrscht schon lange Willkür pur,eine Mafia aus Wirtschaft und Politik unterdrückt das ganze Volk und beteiligt sich an Kriegsverbrechen jeder Art auf der ganzen Welt.Das ist Kapitalismus,darüber muss man sich endlich klar werden,Wir bezahlen die Zeche dieser Verbrecher,jeder auf seine Weise.

  2. Frank sagt:

    Was erlauben Sie sich eigendlich Herr Braeuner? Welche Strafftat haben Sie denn begangen um in ein Gefaengiss zu kommen? Es ist einfach nur dreisst auch noch Vorderungen zustellen. Wenn Ihnen das Knastessen nicht schmeckt und Sie auch keine Lust auf “Arbeitslager” haben, begehen Sie keine Strafftaten!!!!

    • Elmar Dylong sagt:

      frank, eine gesellschaft erkennt man daran wie sie mit ihren gefangenen umgeht. du scheinst zu meinen ein gefangener müsse scheiße fressen, mit welcher begründung? er hat eine freiheitsstrafe erhalten, wofür sei dahingestellt, exkremente essen ist wohl nicht teil der strafe? wie meinst du rechtfertigt man erniedrigung, folter, zwangsarbeit und eine krank machende “ernährung” nach der entlassung? sollte nach der entlassung nicht die strafe abgegolten sein? so werden in deutschland abertausende menschen für den rest ihres lebens geschädigt, nachhaltig! das kann ja dann das gesundheitssystem auffangen, da zahlst auch du ein! du bist einfach verachtenswert, ich wünsche dir einen aufenthalt im knast, was übrigens schneller geschehen kann als dir lieb ist. sehr wahrscheinlich triffst du demnächst auf einen denunzianten von deinem schlage, der einfach mal eine falschaussage macht weil ihm dein gesicht nicht gefällt, dann wirst auch du anders denken. als ex-häftling kenne ich beide seiten, mir solltest du niemals begegnen.

      • Uwe sagt:

        Ich finde es hier faszinierend, das hier einem Gefangenen ohne wenn und aber geglaubt wird. Ich selbst bin Küchenbeamter in einer sogenannten “Knastküche” und kann diese Vorwürfe nur vehement abstreiten. Wir haben einen recht hohen Quialitätsanspruch an die Gefangenenverpflegung und dieser ist auch jederzeit nachweisbar durch Rückstellproben, die nicht wie hier vorgeworfen wird aus einem zweiten Kessel entnommen werden, sondern beim Abfüllen des Essens willkürlich zwischendurch abgenommen werden. Man sollte immer beide Seiten hören, bevor man sich ein Urteil bildet. Hierfür reicht es nicht, das Gemecker eines sowieso schon unzufriedenen Insassen anzuhören.

  3. Clara sagt:

    @Frank: Wie sieht Ihr Menschenbild aus? Ob ein Mensch gesetzeswidrig handelt oder nicht, er hat dennoch Würde, die es zu achten und zu schützen gilt. Es kann doch nicht sein, dass man einen Menschen, der nach dieser Verfassung eine Straftat begangen hat, Exkremente essen lässt. Außerdem gibt es auch noch Menschen, die unschuldig ins Gefängnis kommen, das könnte auch Ihnen, Frank, passieren.
    Ich kann auch nicht verstehen, wieso die Behörden nicht zulassen, dass sich Herr Bräuner selbst verköstigt.
    Danke, dass le bohémien Herr Bräuner diese Plattform gegeben hat, die Massenmedien scheinen sich dafür ja mal wieder nicht zu interessieren.

    • Uwe sagt:

      Selbstverpflegung ist keine zugelassene Verpflegungsart laut Verpflegungsordnung, somit kann eine Behörde dies gar nicht genehmigen!! Bevor man kommentiert sollte man sich zumindest ein wenig mit der Materie befassen!!

  4. A Eichbaum sagt:

    Die Aussage von Herrn Frank bestürzt mich! Soll das heißen, wer sich etwas zu Schulden kommen lies hat sein Recht auf menschenwürdige Behandlung verwikt? Das klingt doch sehr nach altem Testament, nach Strafe und Vergeltung…
    Ist die Botschaft der Nächstenliebe noch nicht angekommen?
    In unsere heutigen Zeit sollte es möglich sein, Tat und Täter zu differenzieren. Der Täter ist für die Tat verantwortlich, aber er ist kein schlechterer Mensch, weil er sie begangen hat.
    Wer dies nicht nachvollziehen kann, ist noch nicht im 20 Jahrhundert angekommen.

  5. Infoliner sagt:

    Vor diesem Werner Braeuner habe ich hohe Achtung. So verhält sich ein Mensch! Ich werde ihn mit meinen Gedanken begleiten, ich bitte um die weitere Verfolgung des Falles auf dem Blog hier.
    Für alle “Frank´s”: Es spielt für die Menschenwürde keine Rolle, was für Fehler Herr Braeuner alles in seinem Leben angestellt haben mag. Darüber hinaus leben wir schließlich nicht in einem Rechtsstaat, das heißt, es kann willkürlich jeden treffen. Statt offensichtlich unwissend über andere zu Urteilen, stellst Du Dir hier selbst ein Urteil aus.

  6. Theodor Byron sagt:

    Strafvollzug = Rache, Resozialisierung = vergiß es, das System schlägt zurück. Besonders übel: Das Einsperren von Menschen, die (meist kleinere) Geldstrafen nicht zahlen können. Was ist ein Tag Freiheit wert? 20 Euro, 50 Euro? Polizistenbeleidigung wird besser “vergütet”. Schwerkriminelle ala Zumwinkel kaufen sich frei, kleine Habenichse wandern wegen Bagatelldelikten hinter Gitter. So soll es sein, denn wer draußen im Leben schon nichts zu melden hat, braucht das im Knast erst recht nicht. Strafvollzug ist die Fortsetzung des Herrschaftssystems mit verschärften Mitteln. Wozu also stinknormale Strafgefangene ernährungsphysiologisch richtig verköstigen? Strafe muß sein, der Knast ist schließlich kein Luxushotel. Und ein bißchen Gesundheitsschädigung – wer bekommt´s schon mit?

    Grundsätzlich wäre es interessant, den Knastküchen näher auf den Zahn zu fühlen. Ich habe einmal vor längerem eine Woche abgebrummt, weil ich die Zahlung eines Bußgeldes verweigert hatte. Das oben Gesagte traf in der Tendenz auf die Knastküche zu. Das Essen war enorm fettreich und einseitig. Vitamine, Ballaststoffe usw. – von einer gesunden Ernährung hatte dort wohl noch keiner etwas gehört. Bedenkt man, dass sich Gefangene nur mangelhaft körperlich ertüchtigen können, kann man sich ausmalen, wie sich ein längeres Einsitzen auf den Gesundheitszustand auswirkt.

    Wie können wir Protest gegen diese Gefangenenbehandlung organisieren? Sebastian Müller, bitte melden!

  7. Alex sagt:

    Mal ganz davon abgesehen, dass solche Menschen wie Werner Braeuner wichtig für die soziale Hygiene eines Gefängnisses sind, muss es doch dem Letzten klar sein, dass es im aktuellen Strafsystem weniger um eine Resozialisierung, sondern in erster Linie um einen Schutz der Öffentlichkeit vor hauptsächlich komplett gestörten Individuen UND auch um deren Beschädigung geht.
    Die wenigsten sind dort aufgrund von affektiven Fehlleistungen.( Diese büßen dort allerdings verschärft.)

    Man kann dort resozialisiert werden, aber nur, wenn man das vorher schon war, zumindest unter “normalen” hiesigen gesellschaftlichen Bedingungen. Wer dort seinem Leben einen neuen Spin geben will, kann das, Angebote gibt es.
    Zuerst wird allerdings eine weitgehende Entsozialisierung umgesetzt, es soll doch auch wehtun, das ist der Sinn einer Strafe . Deswegen trifft es einen “Normalsterblichen”, der sich vor seiner Inhaftierung als Teil der Gesellschaft verstand, auch so hart, wenn er ins Gefängnis kommt.

    Die meisten allerdings sind dort schon ihr Leben lang entweder institutionalisiert und/oder psychopathisch und kommen in diesen Systemen bestens klar. Sie glauben an Herren und Sklaven, das wird offensiv geklärt und so richten sie sich dort den Alltag.
    Was dort alles für bösartige Menschen sitzen hat Herr Braeuner doch beschrieben.
    Viele dieser Straftäter können froh sein, dass die Todesstrafe abgeschafft ist, ihre Taten sind oft so gruselig, dass es jedem einzelnen von Euch schwer fallen würde, so jemand am Leben, geschweige denn wieder laufen zu lassen.
    Nicht umsonst haben Opfer von Straftaten oft das Gefühl, es ginge mehr um das Wohl der Täter als um ihren Schmerz und um so etwas wie einen gerechten Ausgleich.
    In deutschen Knästen sitzen keine Robin Hoods und Ocean Eleven Typen sind dort Mangelware.
    Die Deutschen sperren auch sehr zurückhaltend ein, hier laufen viele immer noch frei herum, die längst aus dem Verkehr gezogen gehören.
    Insgesamt 0,1% der Bevölkerung ist inhaftiert, d.h. bei ca 80 Millionen Einwohnern sitzen 80.000 in Haft.
    Und ein nicht geringer Anteil von denen gehört vermutlich eher in die Forensik, wie auch Herr Braeuner anmerkt.
    Seinen verständlichen Schmerz allerdings auf Essen und angebliche Ausbeutung durch die Gefängnisbehörden reduzieren, blendet völlig aus, dass die schlimmere Ausbeutung dort durch die Gefangenen selbst stattfindet. Drogenhandel, Prostitution und gewaltsam erzwungene Dienstleistungen sind Teil der inneren Befindlichkeit der meisten Insassen. Oft sind es die Schulden, aus solchen Verhältnissen, die die Schwächsten wie besessen Akkord arbeiten lassen, um Repressalien “anderer Natur” zu entgehen…
    Ich hoffe, dass Herr Braeuner das alles übersteht, unbeschädigt wird es ihn nicht zurücklassen…
    Er sollte sich nach seiner Entlassung von einem Gefängnis fernhalten.

  8. Frank Ridwerk sagt:

    Weiß man denn genaueres, wie es ihm inzwischen geht? Macht er jetzt schon seit 5 Wochen diesen Hungerstreik?

  9. Leider haben wir keinen Direktkontakt zu Herrn Braeuner, rufen aber unsere Leser auf in dieser Sache selbst aktiv zu werden. Vielen Dank.

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